Formgeber

ÜBER DIE BELIEBIGKEIT

Karsten Drohsel / Malte Steiner

Durch stetig komplexer werdende Anforderungen an architektonische Entwürfe und die außerordentlichen Erwartungen der Bauherren sind Ideenfindungs‐ und Konzeptionsprozesse auf ein Mindestmaß verkürzt. Wer wirtschaftsfähig bleiben will, muss angepasst, vor allem aber schnell liefern können. Häufig werden schon im Entwurfsprozess Computer eingesetzt, die mittels der entsprechenden Software architektonische Formen entstehen lassen können. Konsequent weitergedacht könnten diese Möglichkeiten in Kombination mit den herrschenden Sachzwängen denen Architekten unterliegen, künftig ein ganzes Berufsbild grundsätzlich verändern.

Jean Baudrillard stellte schon 1999 in seinem Aufsatz „Architektur: Wahrheit oder Radikalität“ fest: „Es ist die Maschine, die befiehlt und all ihre Möglichkeiten ausschöpfen möchte. Der Mensch ist nur der technische Operator der Programme. Das Virtuelle ist: das Ausschöpfen aller technischen Virtualitäten des Gerätes. [...] All das, was auf diese Weise durch die Technik und durch die immensen Möglichkeiten der Diversifizierung der Technik geschieht, führt zu einer écriture automatique der Welt, und gilt auch für die Architektur, welche all ihren technischen Möglichkeiten ausgeliefert ist ‐ ich meine damit nicht nur die Materialien und die Konstruktion, sondern auch die konzeptuellen Modelle. Wie alle Bilder vom Fotoapparat aus möglich sind, der nur zu funktionieren braucht, der einem und sich ein reibungsloses Funktionieren abverlangt, so können alle Architekturformen von einem virtuellen Lager aus wieder aktualisiert werden, geordnet oder ungeordnet.“1 Wenn sich Architekten dem Druck der ökonomischen Rahmenbedingungen unterwerfen (was gegenwärtig häufig der Fall ist) und aus diesen Überlegungen heraus dazu übergehen computergenerierte Formen lediglich zu Architekturen zu veredeln, stellt sich dringend die Frage nach der zukünftigen Rolle des Architekten. Agiert er momentan noch als Bediener seiner Software und Vermittler zwischen verschiedenen Sachzwängen könnte er sich künftig vielleicht sogar durch Algorithmen und Software ersetzen lassen.

Die Installation FORMGEBER simuliert einen solchen Prozess und generiert fortlaufend virtuelle Architekturen. Diese Entwürfe werden als Bilder ausgegeben und dienen als Basis für Folgeentwürfe, die inklusive Licht und Schatten, zufallsbasiert erzeugt und als 3D Ansichten errechnet werden. Der Betrachter ist aufgefordert dem Bild seine Bedeutung zuzuordnen und die Abbildung als Architektur oder Konstruktion zu deuten. Er ist eingeladen sich selbst zur Definition von „Architektur“ zu positionieren und die Frage, was eine Form zu einer Architektur macht zu beantworten.

1 Baudrillard, Jean: Architektur: Wahrheit oder Radikalität, Droschl, Graz‐Wien, 1999, S.24f.

Formgeber Installation

Bild: Tranquillium